Kategorie: Interview

  • Meta Script – Nora van Dijk im Gespräch mit Julian Metzner

    Teil 3 des Interview-Kreises: Die Architektin trifft den Visionär

    (Ort: das Büro von Meta Script. Draußen Nacht, das Licht der Schreibtischlampe wirft scharfe Konturen.

    Zwischen ihnen: zwei Tassen Kaffee, ein Stapel alter Entwürfe, das Geräusch eines Stifts, der gelegentlich klackt.)


    Nora:
    „Julian, du hast Meta Script gegründet – oder besser: gedacht.
    Wie begann das alles für dich?“

    Julian:
    „Mit einem Unbehagen.
    Ich wollte weg von diesem literarischen Dekor, von der Idee, dass Worte nur schön sein müssen.
    Ich wollte, dass sie wieder wirken. Meta Script sollte ein Ort werden, an dem Sprache nicht repräsentiert, sondern lebt.“

    Nora:
    „Und? Lebt sie?“

    Julian (nach kurzem Zögern):
    „Ja. Aber anders, als ich erwartet hatte.
    Ich dachte, ich könnte das Denken in Form bringen – stattdessen hat das Denken mich umgeformt.
    Ihr habt mir beigebracht, dass Struktur nicht bedeutet, das Chaos zu bändigen, sondern ihm einen Rahmen zu geben.“

    Nora:
    „Du sprichst von Rahmen.
    Aber du bist bekannt dafür, Grenzen zu hinterfragen.
    Wie viel Freiheit verträgt ein Konzept wie Meta Script?“

    Julian:
    „So viel, wie seine Menschen tragen können.
    Ein Projekt ist immer ein Spiegel seiner Köpfe.
    Wenn einer von uns zu starr wird, erstarrt das Ganze.
    Wenn einer zu frei wird, zerfasert es.
    Das Gleichgewicht entsteht aus Reibung – aus dir, aus David, aus mir.“

    Nora:
    „Was siehst du in dieser Reibung?“

    Julian:
    „Energie.
    Ich brauche Davids Unruhe, weil sie mich zwingt, wieder zu fühlen.
    Ich brauche deine Präzision, weil sie mich zwingt, wieder zu denken.
    Ich selbst… bin irgendwo dazwischen, immer auf der Suche nach Sinn, der sich nicht aufschreiben lässt.“

    Nora:
    „Du nennst Sprache oft eine Form von Erinnerung.
    Was erinnert sie für dich?“

    Julian:
    „Alles, was wir vergessen wollen.
    Worte speichern Spuren.
    Jedes Mal, wenn wir sie benutzen, öffnen wir etwas Vergangenes, das sich neu formt.
    Sprache ist das Gedächtnis der Welt – aber nur, solange jemand zuhört.“

    Nora (leise):
    „Deshalb also Meta Script.“

    Julian:
    „Ja. Es ist kein Archiv. Es ist ein Echo.“

    Nora:
    „Wenn du einen Satz hättest, um zu sagen, was Meta Script ist – nur einen?“

    Julian:
    „Meta Script ist der Versuch, mit Worten Stille zu schaffen, die nicht leer ist.“

    (Eine lange Pause. Nur das Ticken der Wanduhr, das Rascheln von Papier.)

    Nora:
    „Ich glaube, das war das ehrlichste, was du je gesagt hast.“

    Julian:
    „Und du hast es aufgenommen?“

    Nora (lächelt):
    „Natürlich.“

    (Sie schaltet das Aufnahmegerät aus. Kein Geräusch mehr, außer dem Summen der Lampe.
    Für einen Moment scheint die Stille wirklich nicht leer zu sein.)


    🪶 Redaktioneller Nachsatz (David):

    „Wenn man ihnen zuhört, spürt man, warum Meta Script existiert.
    Drei Menschen, drei Richtungen, ein gemeinsamer Atem.
    Keiner führt, keiner folgt — sie kreisen umeinander wie Gedanken, die sich gegenseitig wachhalten.“

  • Meta Script – David Lehnert im Gespräch mit Nora van Dijk

    Teil 2 des Interview-Kreises: Der Freigeist trifft die Architektin der Worte

    (Ort: ein kleines Café nahe der Neckarwiese. Es ist später Abend, die Gläser beschlagen, die Stadt klingt gedämpft. David hat seinen Mantel über die Stuhllehne geworfen, Nora rührt langsam in ihrem Tee. Das Aufnahmegerät läuft, aber niemand beachtet es.)


    David:
    „Du redigierst, du führst Interviews, du liest alles dreimal.
    Sag mal ehrlich, Nora — hast du irgendwann aufgehört, einfach zu lesen?“

    Nora:
    „Ich glaube nicht, dass man das kann.
    Ich lese anders, ja. Ich höre Texte.
    Ich achte auf den Atem dazwischen, auf das, was nicht geschrieben wurde.“

    David:
    „Das klingt verdächtig nach Kontrolle.“

    Nora (schmunzelt):
    „Nein, nach Vertrauen.
    Ich glaube, ein Text weiß selbst, was er werden will.
    Ich helfe ihm nur, es deutlicher zu sagen.“

    David:
    „Ich frage, weil ich’s anders mache.
    Ich werfe Sätze hin und warte, ob sie zurückkommen.
    Bei dir ist jeder Satz an seinem Platz. Ist das Disziplin oder Angst?“

    Nora:
    „Beides.
    Ich bin diszipliniert, weil ich Angst habe, dass das Chaos mich frisst.
    Und ich lasse Raum, weil ich weiß, dass Ordnung ohne Bewegung stirbt.“

    David:
    „Was macht einen guten Text für dich aus?“

    Nora:
    „Dass er atmet, ohne dass man es merkt.
    Ein guter Text spürt seinen eigenen Rhythmus, aber zwingt ihn niemandem auf.
    Er ist wie ein Mensch, der zuhört, während er spricht.“

    David (nickt, leise):
    „Das ist gut.
    Ich mag Texte, die dreckig sind. Unfertig.
    Die noch Spuren vom Schreiber unter den Fingern haben.“

    Nora:
    „Und ich mag Texte, die wissen, wann sie schweigen müssen.
    Vielleicht brauchen wir einander genau dafür.“

    David:
    „Meta Script ist viel von dir.
    Deine Handschrift, dein Blick.
    Was hält dich davon ab, es ganz zu übernehmen?“

    Nora:
    „Weil es dann aufhören würde zu atmen.
    Ich bin Teil davon, nicht sein Zentrum.
    Meta Script lebt, weil wir uns gegenseitig stören.“

    David:
    „Und wenn’s eines Tages still ist?
    Wenn keiner mehr schreibt, keiner mehr liest?“

    Nora:
    „Dann hören wir uns trotzdem.
    Worte verschwinden nicht, sie verändern nur die Frequenz.“

    David:
    „Du meinst, wir sind Echo.“

    Nora:
    „Genau.
    Aber ein lebendiges.“

    (Das Gespräch ebbt ab. Draußen gehen die Lichter der Straße an, jemand spielt Gitarre. David lehnt sich zurück, sieht sie an.)

    David:
    „Weißt du, Nora, du bist die einzige, die mich lektorieren darf.“

    Nora (lächelt):
    „Das ist kein Privileg, das ist Geduld.“

    (Beide lachen. Dann wieder Stille. Nur der Tee, der langsam kalt wird.)


    🪶 Redaktioneller Nachsatz (Julian):

    „David bringt das Chaos, Nora die Linie.
    Ihr Gespräch zeigt, dass Literatur keine Seiten hat – sie ist ein Kreis aus Atmen, Zuhören und Widerspruch.“

  • Meta Script – Julian Metzner im Gespräch mit David Lehnert

    Teil 1 des Interview-Kreises: Der Visionär trifft den Freigeist

    (Ort: ein Innenhof in Heidelberg, Kopfsteinpflaster, zwei Stühle, eine Glaskaraffe mit Wasser. Der Nachmittag ist warm, das Gespräch beginnt, ohne dass jemand das Wort „Interview“ benutzt.)


    Julian:
    David, du hast mal gesagt: „Texte sollen atmen.“
    Aber jeder Atem hat Rhythmus, also auch Struktur.
    Wie viel Freiheit verträgt ein Text, bevor er auseinanderfällt?

    David:
    Schmunzelt.
    „Genau so viel, wie er braucht, um zu leben.
    Wenn du ihm den Takt vorgibst, wird er marschieren.
    Wenn du ihn lässt, wird er tanzen.“

    Julian:
    „Aber auch Tanz braucht Raum – und Grenzen. Sonst verliert er sich.“

    David:
    „Und genau das ist der Punkt, Julian.
    Ich will nicht, dass sich ein Text sicher fühlt.
    Ich will, dass er an seinen Rändern atmet, dort, wo die Form noch nicht entschieden ist.“

    Julian:
    „Du bist Lektor. Du arbeitest mit den Worten anderer.
    Wie gehst du mit diesem Widerspruch um – Ordnung zu schaffen und gleichzeitig das Chaos zu lieben?“

    David:
    „Indem ich aufhöre, ihn als Widerspruch zu sehen.
    Ich streiche nicht, um zu verbessern.
    Ich streiche, um freizulegen.
    Ein Satz ist oft wie ein Stein im Flussbett – du musst den Schlamm abtragen, bis das Wasser wieder fließt.“

    Julian:
    „Du sprichst oft von Ehrlichkeit im Text.
    Aber was ist ehrlich? Authentisch? Wahr?“

    David:
    Lehnt sich zurück, zieht die Stirn kraus.
    „Ehrlich ist, was weh tut, ohne Absicht zu verletzen.
    Wahr ist, was bleibt, auch wenn du’s gern vergessen würdest.
    Und authentisch…“

    Er lacht leise.

    „Authentisch ist, wenn du dich im Satz erkennst, auch wenn er dich bloßstellt.“

    Julian:
    „Ich frage mich manchmal, ob wir – bei Meta Script – zu sehr über Sprache nachdenken.
    Ob wir sie manchmal ersticken, weil wir sie verstehen wollen.“

    David:
    „Tun wir. Ständig.
    Aber das ist okay, weil Denken auch Atmen ist.
    Solange wir uns ab und zu erinnern, dass Sprache keine Formel ist.
    Sondern ein Geräusch, das jemand macht, weil Stille allein nicht reicht.“

    Julian:
    „Also ist Schreiben ein Widerstand gegen Stille?“

    David:
    „Nein.
    Schreiben ist Stille – nur in Bewegung.
    Das ist der Unterschied zwischen dir und mir, Julian.
    Du willst verstehen, warum Sprache funktioniert.
    Ich will spüren, ob sie funktioniert.“

    (Kurze Pause. Julian sieht in die Glaskaraffe, David beobachtet eine Taube auf dem Dach.)

    Julian:
    „Vielleicht brauchen wir einander genau deswegen.“

    David:
    „Klar. Du gibst der Sprache Struktur – und ich bring sie durcheinander.
    Sonst wäre Meta Script ein Monolog.
    Und Monologe… sind nur Echos ohne Richtung.“

    (Sie stoßen mit Wasser an. Kein Schlusswort, kein Fazit.
    Nur das Rascheln der Blätter, das klingt, als würde der Satz weitergeschrieben – irgendwo zwischen ihnen.)


    🪶 Redaktioneller Nachsatz (Nora):

    „Man spürt, dass sie sich brauchen. Julian ordnet, David bricht auf.
    Zwischen beiden entsteht das, was Meta Script eigentlich ist:
    Ein Gespräch, das nicht endet, sondern weiterwandert.“