Teil 2 des Interview-Kreises: Der Freigeist trifft die Architektin der Worte
(Ort: ein kleines Café nahe der Neckarwiese. Es ist später Abend, die Gläser beschlagen, die Stadt klingt gedämpft. David hat seinen Mantel über die Stuhllehne geworfen, Nora rührt langsam in ihrem Tee. Das Aufnahmegerät läuft, aber niemand beachtet es.)
David:
„Du redigierst, du führst Interviews, du liest alles dreimal.
Sag mal ehrlich, Nora — hast du irgendwann aufgehört, einfach zu lesen?“
Nora:
„Ich glaube nicht, dass man das kann.
Ich lese anders, ja. Ich höre Texte.
Ich achte auf den Atem dazwischen, auf das, was nicht geschrieben wurde.“
David:
„Das klingt verdächtig nach Kontrolle.“
Nora (schmunzelt):
„Nein, nach Vertrauen.
Ich glaube, ein Text weiß selbst, was er werden will.
Ich helfe ihm nur, es deutlicher zu sagen.“
David:
„Ich frage, weil ich’s anders mache.
Ich werfe Sätze hin und warte, ob sie zurückkommen.
Bei dir ist jeder Satz an seinem Platz. Ist das Disziplin oder Angst?“
Nora:
„Beides.
Ich bin diszipliniert, weil ich Angst habe, dass das Chaos mich frisst.
Und ich lasse Raum, weil ich weiß, dass Ordnung ohne Bewegung stirbt.“
David:
„Was macht einen guten Text für dich aus?“
Nora:
„Dass er atmet, ohne dass man es merkt.
Ein guter Text spürt seinen eigenen Rhythmus, aber zwingt ihn niemandem auf.
Er ist wie ein Mensch, der zuhört, während er spricht.“
David (nickt, leise):
„Das ist gut.
Ich mag Texte, die dreckig sind. Unfertig.
Die noch Spuren vom Schreiber unter den Fingern haben.“
Nora:
„Und ich mag Texte, die wissen, wann sie schweigen müssen.
Vielleicht brauchen wir einander genau dafür.“
David:
„Meta Script ist viel von dir.
Deine Handschrift, dein Blick.
Was hält dich davon ab, es ganz zu übernehmen?“
Nora:
„Weil es dann aufhören würde zu atmen.
Ich bin Teil davon, nicht sein Zentrum.
Meta Script lebt, weil wir uns gegenseitig stören.“
David:
„Und wenn’s eines Tages still ist?
Wenn keiner mehr schreibt, keiner mehr liest?“
Nora:
„Dann hören wir uns trotzdem.
Worte verschwinden nicht, sie verändern nur die Frequenz.“
David:
„Du meinst, wir sind Echo.“
Nora:
„Genau.
Aber ein lebendiges.“
(Das Gespräch ebbt ab. Draußen gehen die Lichter der Straße an, jemand spielt Gitarre. David lehnt sich zurück, sieht sie an.)
David:
„Weißt du, Nora, du bist die einzige, die mich lektorieren darf.“
Nora (lächelt):
„Das ist kein Privileg, das ist Geduld.“
(Beide lachen. Dann wieder Stille. Nur der Tee, der langsam kalt wird.)
🪶 Redaktioneller Nachsatz (Julian):
„David bringt das Chaos, Nora die Linie.
Ihr Gespräch zeigt, dass Literatur keine Seiten hat – sie ist ein Kreis aus Atmen, Zuhören und Widerspruch.“
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